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Spotify setzt schwedischer Regierung Pistole auf die Brust

Die Spotify Gründer (Daniel Ek und Martin Lorentzon) haben einen offenen Brief an die schwedische Regierung geschrieben und fordern drastische Änderungen in Schweden, um Großunternehmen bessere Bedingungen zu schaffen. Auf dem ersten Blick könnte man Spotify beipflichten, doch wer Schweden nur etwas kennt, muss hier erst einmal eine Grundsatzfrage klären, wohin es in Schweden gehen soll.

Klar ist, Schweden hat viele positive Seiten aber auch negative Tendenzen. Spotify selbst nennt zwei wichtige Faktoren, zum einen den nicht liberalisierten Wohnungsmarkt und dass die schwedische Wirtschaft zu sehr auf kleine und mittlere Traditionsunternehmen ausgerichtet sei.

Um den Forderungen die nötige Würze zu geben, droht Spotify sogar, Schweden Richtung USA zu verlassen. Doch was genau soll man nun davon halten? Denn Spotify bemängelte Zustände, unter gerade diesen das Unternehmen zum größten Musik Streaming Dienst der Welt wurde. Allein dieser Fakt widerspricht dem Verlangen des Unternehmens. Aber Spotify legt noch nach, und bemängelt ausgerechnet das schwedische Schulsystem, das zu den besten der Welt gehört. Und Spotify bemängelt, dass dieses Schulsystem zu wenig Programmierer hervorbringt. Doch wir reden hier von dem Land, das aktuell mindestens in Europa das Land mit den meisten Start-Ups und Erfindungen in der IT Branche ist.

Was also fordert Spotify da nur?????

Nehmen wir mal die beiden oben genannten wichtigen Faktoren, den Wohnungsmarkt und der auf Traditionsunternehmen ausgerichteten Wirtschaft. Dass Schweden einen nicht liberalisierten Wohnungsmarkt hat, da hat Spotify freilich Recht. Aber diese Situation betrifft nur jene, die in Schweden unterhalb des mittleren Einkommens verdienen und sich keine Eigentumswohnung oder Haus leisten können. Ansonsten ist der Markt an Kaufimmobilien auch in Schweden sehr gut situiert. Auch Banken und Staat unterstützt hier sehr gut. Doch das Problem liegt ja nicht wirklich in den fehlenden Mietimmobilien, sondern in der Abwärtsspirale der Löhne. Und ausgerechnet das will Spotify nun einfordern, dass Schweden noch weiter Richtung Niedriglohn, niedrige Preise und niedrige Mieten gehen soll. Doch mit diesen Forderungen gefährdet man gerade die noch starke Mittelschicht in Schweden.

Daher ist es nun wichtig, die Schweden nach einer Grundsatzfrage zu befragen. Wohin soll es mit Schweden weiter gehen? Soll das Lebensniveau, das gerade in Schweden sehr hoch ist, abgesenkt werden, oder soll es gehalten werden? Doch bei Absenkung – so wie es in Deutschland Ende der 90er Jahre geschehen war – droht dem Land eine Katastrophe. Eine riesige Immobilienblase würde enstehen und unmittelbar platzen. Denn aktuell halten die Schweden einen sehr hohen Betrag an Schulden. Doch diese sind aktuell gedeckte Kredite, um die Eigentumswohnung abzuzahlen. Würde also Schweden dem Verlangen Spotifys nachgeben, könnten viele Schweden ihr Kredite nicht mehr bedienen und würden obdachlos. Doch das ist nur die kleine Katastrophe, die wirtschaftlich viel größere wäre jene, dass zu viele Immobilien an die Banken bzw. Bauunternehmen zurück gehen oder auf den Markt geworfen würden. Diese regelrechte Überflutung wurde die schwedische Wirtschaft regelrecht zerbrechen lassen. Hinzu kommen würden also auch Bankenpleiten. Ja, und die von Spotify geforderten Bedingungen haben bis zu diesem Zeitpunkt schon den Großteil der kleinen und mittleren Traditionsunternehmen in den Bankrott getrieben. Damit hätte Schweden deutsche Bedingungen, gut für Global Player, schlecht für den Mittelstand.

Spotify verlangt also, dass Schweden ein Tummelplatz für Global Player werden soll (und argumentiert: ansonsten würde Schweden im globalen Wettbewerb abgehängt), doch sieht nicht die damit verbundene Gefahr für die nationalen Unternehmen in Schweden.

Jedem sollte jetzt klar sein, worum es hier geht und wo es laut Spotify hingehen soll und wo Deutschland heute steht. Das also kann keine Option für Schweden sein! Zudem unter diesen Bedingungen eine Forderung Spotifys unmöglich umsetzbar macht. Ein Schulsystem zu schaffen, dass angeblich noch mehr Programmierer hervor bringt. Denn niedrige Standards bedeuten auch niedrige Standards in den Schulen.

Damit wird die Grundsatzfrage eher sein, ob Schweden auch ohne Spotify sein kann oder nicht. Ich würde sagen: Schweden braucht Spotify nicht!

Um mal noch zu verdeutlichen: In Schweden bekommen unter 25 jährige und Ingenieure hohe Steuernachlässe. Soziale Abgaben entstehen den Arbeitnehmern nicht, da alles vom Unternehmen zu tragen ist. Und wer nur ein geringes Einkommen hat, bekommt sogar eine Minussteuer drauf, ergo sie bekommen Geld vom Staat zurück. Im Brutto/Netto Vergleich Deutschland – Schweden heißt das, dass bei einem Brutto von rund 1.700 Euro die Schweden rund 200 Euro mehr Netto raus bekommen. Ergo netto in Deutschland 1.200 Euro und in Schweden 1.400 Euro. (schwedische Beträge sind von Kronen in Euro umgerechnet) Wobei diese Lohnhöhe die in Schweden niedrigste ist.

Hintergrund 1: Spotify will wachsen, dazu will das Unternehmen in Stockholm und Göteborg weitere Arbeitskräfte einstellen, doch findet anscheinend nicht genug, die auch gewillt sind, für wenig Geld zu arbeiten. Denn wenn Spotify Mitarbeiter sich nur Mietimmobilien leisten können, dann werden sie definitiv – wie oben schon geschrieben – nur unterhalb des mittleren schwedischen Einkommens bezahlt.

Hintergrund 2: Spotify tut es wie jeder Global Player auf der Welt, Steuern werden nur kreativ außerhalb von Schweden abgeführt.

Und passend zum Thema kommt die ARD unter den Titel “Das Märchen vom Fachkräftemangel” und zeigt hier das deutsche Gegenstück. Spotify geht es also um Lohndumping!

Quelle: svt

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